Die Verkehrsprobleme in Schierstein müssen wir Ihnen nicht näher erläutern. Wir kennen das alle:

  • Im Berufsverkehr quält sich eine lange Blechlawine mitten durch den Ortskern – morgens aus dem Rheingau, abends in den Rheingau.
  • Wer in Schierstein wohnt und nach seinem Heimweg im Dauerstau auf einen Parkplatz vor der Haustür hofft, wird regelmäßig enttäuscht. Den gibt es natürlich in den engen Gassen nicht – und ganz bestimmt auch nicht an den „Ortsrändern“, wenn das Wetter schön ist und Besucher*innen ihren Feierabend in Schierstein genießen wollen.
  • Schiersteiner*innen, die es wagen, bei schönem Wetter am Wochenende ihren heißbegehrten Stellplatz zu räumen, um selbst ins Umland „auszufliegen“, sollten vor dem frühen Abend nicht heimkehren, wenn sie nicht mitten im Touristenstrom landen wollen, der sich seinen Weg zum Hafen bahnt.

Diese – offen gesagt – miserable Verkehrssituation sorgt dafür, dass sich jeder gern selbst der Nächste ist:

  • Behindertenparkplätze werden zu Kurzzeitparkplätzen.
  • Vor der Drogerie Rossmann wird im absoluten Halteverbot bis zur Ampel an der Wasserrolle geparkt.

  • Der Lieferverkehr für Eisen-Schneider wird dadurch massiv behindert. Der Verkehr staut sich noch weiter zurück, denn die Abbiegespur Richtung Saarstraße ist blockiert.
  • Am Hafen findet man wochentags fast immer einen freien Parkplatz, doch am Wochenende wird geparkt, wo es gerade passt – auch in der Fußgängerzone.
  • Im Ortskern werden die Autos so abgestellt, dass man für das später kommende Zweitfahrzeug noch einen Parkplatz freihält.
  • Autofahrer fahren rückwärts, weil an Engstellen kein Durchkommen ist.
  • Fahrradwege und Fußwege sind ebenfalls Parkplätze.

Diese Aufzählung ließe sich fast unendlich ergänzen.

So mancher von Ihnen wird jetzt seufzen:

„Früher war alles besser.“

Nun ja, vielleicht nicht alles, aber eine Sache mit Sicherheit: Die Verkehrsüberwachung in Schierstein.

Man muss einige Jahre zurückgehen, damals war es so, dass eine feste Mitarbeiterin des Ordnungsamtes für Schierstein zuständig war. Sie war den ganzen Tag vor Ort unterwegs, um auf die Einhaltung der gängigen Regeln, z.B. der StVO zu achten. Sie tauchte urplötzlich und aus dem Nichts auf und wies Parksünder und andere auf ihr Fehlverhalten hin. Das führte zu einer Kultur im Umgang miteinander, die sich von der heute üblichen deutlich unterscheidet. Denn es war ja mit hoher Wahrscheinlichkeit so, dass die „Verkehrssünde“ sofort geahndet wurde.

Kein Mensch weiß, warum dieses erfolgreiche Modell beendet wurde. Heute ist es so, dass es in Schierstein faktisch keine Verkehrsüberwachung mehr gibt, und wenn, dann nur auf Anruf bei einer der vielen Leitstellen. Dort ist leider immer so viel zu tun, dass gerade kein Fahrzeug frei ist.

Wir meinen, es ist an der Zeit wieder zu einer Verkehrsüberwachung zurückzukommen, die diesen Namen auch verdient. Je mehr der gemeine Autofahrer – oder auch der rasende Fahrradfahrer in der Fußgängerzone – sieht, dass Fehlverhalten nicht sanktioniert wird, desto mehr geraten eigentlich doch recht sinnvolle Verkehrsregeln in Vergessenheit.

Das funktioniert wie bei dem weggeworfenen Abfall: Nach der ersten Tüte geht es hurtig weiter – es beschwert sich ja keiner.

Ein Parkplatz unter der Schiersteiner Brücke, den die meisten Lokalpolitiker vehement einfordern, hilft da wenig. Wer jetzt im Parkverbot steht, weil es so schön bequem ist und sich ohnehin niemand darum schert, der wird auch in Zukunft nicht einen ganzen Kilometer zurücklegen wollen, um seinen Wein auf dem Hans-Römer-Platz zu trinken, oder noch weiter laufen, um in der Rheingaustraße einzukaufen oder beim Wassersportverein im Biergarten zu sitzen.

Ohnehin können wir damit rechnen, dass dieser Parkplatz unter der Brücke hauptsächlich den zusätzlichen Verkehr aufnehmen wird, der durch die Bürogebäude am Hafen entsteht. Immerhin etwas. Aber an dem jetzt schon vorherrschenden Verkehrsdesaster im Ortskern und für die dortigen Bewohner, wird sich nichts ändern.

Wir brauchen also wieder einen „Dorfsheriff”. Die jüngst angekündigte Fahrradstaffel der kommunalen Verkehrspolizei, die „erstmal vorrangig auf der Rheinschiene unterwegs“ sein soll, ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Also: Mehr Personal und zwar vor Ort!

Wer jetzt abwehrt: „Alles zu teuer“, dem sei gesagt: Nein, alles eine Frage der Organisation:
Ein erster Schritt zur Verbesserung der (finanziellen) Situation ist die Aufhebung der Trennung zwischen Stadtpolizei und Verkehrspolizei. Diese Trennung hat kein Bürger verstanden und zwei Leitstellen sind herausgeschmissenes Geld. Stattdessen gehören so viele Mitarbeiter wie möglich auf die Straße, dort gibt es genug zu tun.

Herbert G. Just