KOMMENTAR zum Osthafen-Beschluss der Schiersteiner CDU vom 1. März 2020

Was sich durch den Beschluss der Schiersteiner CDU bzgl. der Bauhöhen am Osthafen ändern könnte, scheint nicht ganz klar zu sein.

Die Schiersteiner CDU will laut einer Pressemitteilung vom 1. März 2020 einem finalen Bebauungsplan für den Bereich des Osthafens im Ortsbeirat Schierstein nur zustimmen, wenn dort keine 7- bis 8-geschossigen (oder höheren) Gebäude möglich bzw. vorgesehen sind. Es sei eine maximale Bebauungshöhe anzustreben, die sich an der bislang vorhandenen Bebauung (Schufa-Gebäude) orientiert und diese soweit möglich unterschreitet. Außerdem fordert die CDU die Beibehaltung der derzeit vorgestellten „aufgelockerten“ Bebauung mit ausreichender Durchwegung aus Richtung Rheingaustraße hin zur Uferpromenade. Was sich beim ersten Lesen als „klare Kante“ der CDU zeigt, könnte bei näherer Betrachtung nur ein wachsweicher Beschluss sein, der zumindest erklärungsbedürftig ist.

Die CDU Schierstein hatte zu den Bedingungen, die sie an ihre Zustimmung zur Osthafenbebauung knüpft, in einer Klausurtagung am 29. März einen entsprechenden Beschluss gefasst, der allerdings einige Fragen aufwirft:

Laut diesem Beschluss wird nur zugestimmt, wenn keine 7- bis 8-geschossigen Gebäude entstehen. Gleichzeitig soll sich der Bebauungsplan am bestehenden Schufa-Gebäude orientieren und dessen Höhe „soweit möglich“ unterschreiten. Das Schufa-Gebäude hat allerdings “nur” Etagen. Bei welcher Gebäudehöhe die Schmerzgrenze der CDU liegt, ist damit unklar. Bedeutet das nun, dass die CDU

  • bei einer sechsstöckigen Bebauung dem Bebauungsplan zustimmt, denn die ist ja nicht 7- bis 8-geschossig?
  • Wie verhält sich die CDU, wenn SEG und Stadtplanungsamt nun einfach alle Gebäudehöhen bei 6 Etagen planen – dann würden vier der sechs Baukörper höher gebaut, als aktuell geplant, die “Bedingung” der CDU (keine 7 oder 8 Geschosse) aber möglicherweise immer noch eingehalten.
  • Oder stimmt die CDU nur zu, wenn maximal 5-geschossig gebaut wird – so wie beim Schufa-Bau? 
  • Oder stimmt sie sogar nur dann zu, wenn die Schufa-Gebäudehöhe unterschritten wird – also maximal 4-geschossig?

Außerdem will die CDU nur zustimmen „unter Beibehaltung der derzeit vorgestellten ‚aufgelockerten‘ Bebauung mit ausreichender Durchwegung aus Richtung Rheingaustraße hin zur Uferpromenade“.

Knackpunkt dieser Formulierung ist, dass die derzeit vorgestellte Bebauung zwei öffentliche barrierefreie Wege vorsieht. Zwei barrierefreie öffentliche Wege waren dem Ortsbeirat – und auch der CDU – bisher immer wichtig. In ihrem Beschluss spricht die CDU jetzt nur noch von einem Weg – und zwar von dem Weg, der von der Rheingaustraße gegenüber Dow zwischen Peugot und Kartina TV entlangführen wird.

Beginnt hier zwischen Peugeot und Kartina TV demnächst die einzige “Flaniermeile” Richtung Hafen durch das Bürogebiet im Schiersteiner Osten?

Fraglich ist, welchen Mehrwert dieser Weg überhaupt für die Menschen in Schierstein hat: Hier wohnt niemand, der seinen Hafenspaziergang an dieser Stelle beginnen könnte. Wer von hier aus zu Fuß zum Hafen möchte, darf zunächst durch das Gewerbegebiet an der Rheingaustraße spazieren. Wird das tatsächlich jemand tun? Wahrscheinlicher ist doch, dass dieser Weg rein als Zufahrtsmöglichkeit für die künftigen Büroangestellten am Osthafen genutzt werden wird. Der von vielen Schiersteinern zu Fuß und mit dem Fahrrad genutzte Pfad von der Storchenallee über den Kormoranweg hinter der Schufa vorbei zum Hafen wird ohnehin wegfallen.

Noch sind Hafen und Sommergastronomie über den Fußpfad/Radweg aus Richtung Storchenallee/Kormoranweg erreichbar. Der Bebauungsplanentwurf sieht diesen Weg nicht mehr vor.

Ein Ersatz dafür hätte die direkte Verbindung vom Kormoranweg zum Hafen rechts neben dem ersten Schufa-Gebäude im Westen des Baugebiets sein können. Diesen für die Schiersteiner Bürgerinnen und Bürger vermutlich viel wichtigeren Weg, der auch den Zugang vom östlichen Ortskern zur Sommergastronomie sicherstellen würde, spricht der CDU-Beschluss nicht an. Aber gerade um diesen Weg sollte die Ortspolitik sich intensiv kümmern, denn er ist zwar in den aktuellen Bebauungsplänen eingezeichnet, aber bereits jetzt mit zwei Tiefgaragenabfahrten zugebaut. Ist das ein Planungsfehler, an den wir einfach einen Haken machen? Oder sollte das nicht vielmehr für alle Ortsbeiratsfraktionen Ansporn sein, SEG und Stadtplanungsamt eine andere Lösung abzuverlangen, um die Durchwegung aus westlicher Richtung sicherzustellen?

Wird hier demnächst für Radfahrer und Fußgänger Ende sein? Der Pfad (links im Bild) fällt laut Bebauungsplanentwurf weg. Er sollte durch einen direkten barrierefreien Fußweg vom Kormoranweg zum Hafen ersetzt werden – doch der geplante Weg ist seit Jahren schon mit Tiefgaragenzufahrten bebaut (rechts im Bild).
Links: rot eingezeichnet der laut Bebauungsplanentwurf vorgesehene öffentliche und barrierefrei Fußweg vom Kormoranweg zum Hafen. Rechts: die an dieser Stelle bereits existierende Bebauung.

Interessant und interpretationsfähig ist auch die Formulierung im einstimmig vom Vorstand der Schiersteiner CDU, deren Ortsbeiratsfraktion und weiteren Mitgliedern gefassten Beschluss, „die CDU-Fraktion im Ortsbeirat Schierstein wird einer finalen Bebauungsplanung für den Bereich des Osthafens nur zustimmen, wenn …“

Der Ortsbeirat ist ein rein beratendes Gremium, Zustimmung oder Ablehnung hat hier unter Umständen nicht viel Aussagekraft für eine Entscheidung in der Stadtverordnetenversammlung. Was aber ist mit dem der Schiersteiner CDU angehörigen Stadtverordneten? Gilt der Beschluss der Schiersteiner CDU auch für sein Abstimmungsverhalten in der Stadtverordnetenversammlung, die letztlich über den Bebauungsplan entscheiden wird? Wird die Schiersteiner CDU ihr Votum auch in die CDU-Rathausfraktion hineintragen (können)?

Man könnte zu dem Ergebnis kommen, dass die CDU ihren Beschluss einfach nur versehentlich stark “interpretationsfähig” formuliert hat. Wenn das so ist, tut eine genaue Festlegung dessen, was die CDU Schierstein in Bezug auf die Osthafenbebauung wirklich will und für tragbar und “zustimmbar” erachtet, dringend not.

Christina Kahlen-Pappas