In der Ortsbeiratssitzung am 13. November 2024, hatte Schierstein überraschend Besuch von Roland Stöcklin, Geschäftsführer der SEG Stadtentwicklungsgesellschaft. Er sei extra wegen eines Antrags zum Osthafen gekommen, der auf der Tagesordnung zur Ortsbeiratssitzung stand. Angekündigt hatte er sein Kommen nicht und musste daher zwei Stunden warten, bis er sich zum Antrag äußern konnte, um – wie er dem Gremium erklärte – so die Verwaltung von unnötigem Schriftverkehr mit dem Schiersteiner Gremium zu entlasten. Zum Thema Hochwasserschutz und Bauen im Überschwemmungsgebiet äußerte er: Zwei Schubkarren Erdaushub dürften reichen, um den Retentionsraum auszugleichen, der durch die nun geplante Bebauung am Osthafen zerstört wird. Ein laut Bebauungsplan für den Hochwasserschutz zwingend vorgesehener Stauraumkanal werde darum vorerst nicht benötigt.
Worum es geht: Die geplante Bebauung am Osthafen liegt im Bereich des 100jährigen Hochwasser. Ein Fakt, der nach deutschem Baurecht dazu führt, dass eine neue Bebauung grundsätzlich untersagt ist. Darauf hatte auch das Regierungspräsidium Darmstadt aufmerksam gemacht, während die Stadt Wiesbaden den Bebauungsplan für den Osthafen aufstellte. Ein Kniff im Bebauungsplan sollte dabei helfen, dass trotzdem gebaut werden kann: Der Bau eines Stauraumkanals am Osthafen wurde zur Bedingung gemacht und im Bebauungsplan festgeschrieben. Er soll im Fall eines Hochwassers für zusätzliche Überflutungsfläche sorgen und diejenigen Flächen ausgleichen, die durch die geplante Bebauung mit Gebäuden am Osthafen zerstört werden.
Durch diese technische Konstruktion werde sich die Linie des 100jährigen Hochwasser verschieben und die betroffenen Grundstücke nicht mehr im Überschwemmungsgebiet liegen. In der Folge würde die nach deutschem Baurecht untersagte Bebauung doch möglich. Wichtig nur, und das stellte das Regierungspräsidium im Zuge seiner Einwendungen gegen den Bebauungsplan Osthafen auch klar: Der Stauraumkanal müsse unbedingt hergestellt und in Betrieb genommen werden, bevor mit dem Bau von Gebäuden im Überschwemmungsgebiet am Osthafen begonnen werde.
Eine Zusammenstellung der Einwendung des Regierungspräsidiums Darmstadt und Festsetzungen im Bebauungsplan zum Hochwasserschutz gibt es hier:
Festsetzungen zum Hochwasserschutz – Stauraumkanal
Das sieht die SEG, bzw. deren Vertreter Roland Stöcklin offenbar anders. Die aktuell geplanten Gebäude am Osthafen würden nur zu einem geringen Teil im Überschwemmungsgebiet liegen, da sei es ja „ein Schildbürgerstreich“ jetzt schon den Bau des kompletten Stauraumkanals zu verlangen. Das werde man auch mit der für das Baugenehmigungsverfahren zuständigen Genehmigungsbehörde (Bauaufsicht Wiesbaden) so besprechen.
Diese Vorgehensweise könnte aus zweierlei Gründen unklug sein. Zum einen bliebe der aktuell vom Investor Pockrandt Management GmbH geplante Neubau immer mit dem Makel behaftet, entgegen der bestehenden Rechtslage im Überschwemmungsgebiet errichtet worden zu sein. Das wäre nicht das erste Mal, dass in Wiesbaden ein Bauvorhaben gegen geltendes Recht durchgezogen wird. 2012 hatte das Verwaltungsgericht den Bau von mehreren teils bereits im Bau befindlichen Eigenheimen gestoppt, weil die Stadt Fehler bei den Baugenehmigungen gemacht hatte. Die Bauruinen aus dieser Fehlplanung stehen heute noch im Wiesbadener Künstlerviertel.
So weit dürfte es im Osthafen vermutlich nicht kommen, da der Stauraumkanal ja auch schlichtweg gebaut und so der Fehler “geheilt” werden könnte. Aber dann dürfte das Risiko voll bei der Stadt Wiesbaden liegen, die dann evtl. Gefahr läuft, alleine finanziell für das technische Bauwerk aufkommen zu müssen. Den jetzigen Investor will sie dafür offenbar nicht in Anspruch nehmen. Ob sich ein weiterer Investor findet, der das verbleibende Grundstück bebaut und auch die Kosten für den Stauraumkanal übernehmen will, ist nicht bekannt.
Der Ortsbeirat Schierstein beschloss daher, den Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden zu fragen, wer für die Errichtung, Inbetriebnahme und Wartung des, laut Bebauungsplan zwingend vorgesehenen, Stauraumkanals zuständig ist und wer trägt die Kosten hierfür trägt. Außerdem möchte das Gremium ebenfalls vom Magistrat wissen, wann der Stauraumkanal errichtet wird.
Stöcklin riet dem Ortsbeirat mehrfach davon ab, den Antrag, der außer den Fragen zum Hochwasserschutzschutz noch weitere Fragen zum Osthafen enthielt, in vollem Umfang zu beschließen. Der Ortsbeirat nahm diesen Rat nicht an und beschloss einstimmig den Antrag mit der Bitte um eine Antwort des Wiesbadener Magistrats.