Modell der zusätzlich geplanten Bebauung am Osthafen und des bereits bestehenden Schufa-Baus (links).

Im Gespräch zu aktuellen Stadtentwicklungsprojekten in Schierstein, das auf Einladung des Stadtplanungsamts am 21. Januar stattfand, ging es auch um die geplante Bebauung am Osthafen. Anlass hierfür war ein Brief, den die Initiative „Zukunft Schierstein“ im Oktober 2019 an Oberbürgermeister Mende geschickt hatte. Eine konkrete Antwort auf die Kernfrage des Schreibens, warum das Gelände am Osthafen so stark und hoch bebaut werden soll, gab es nicht. Insgesamt hat das Gespräch nur zu wenigen neuen Erkenntnissen geführt: Etwa zur Verkehrsdichte und zur Durchwegung des Osthafengeländes oder zum Gelände der ehemaligen Knochenmühle. (Zu den ebenfalls besprochenen Neuigkeiten in Sachen Schulbau siehe hier.)

Erhebung über zusätzliches Verkehrsaufkommen sei entbehrlich

Parken am Osthafen donnerstags früh im August 2019.

Eine Bruttogeschossfläche von 16.000 qm kann nach den Plänen des Stadtplanungsamtes am Schiersteiner Osthafen für Büros und Gewerbe entstehen. Hierfür müssten ca. 300 bis 400 Stellplätze eingeplant werden, wobei vermutlich mit doppelt so vielen Arbeitsplätzen zu rechnen ist. Stellplatzablösen seien im Rahmen der Stellplatzsatzung der Stadt Wiesbaden möglich. Ein Gutachten zu dem zusätzlich für Schierstein zu erwartenden Verkehrsaufkommen existiert nicht. Das zuständige Amt gehe davon aus, dass die Verkehrsmengen (zusätzliche Pendler) „von den bestehenden Strukturen aufgenommen“ werden könnten, erläuterte das Stadtplanungsamt. Nach Beobachtungen von “Zukunft Schierstein” ist die Zufahrt nach Schierstein im Berufsverkehr bereits aktuell stark ausgelastet. Hinzukommt, dass tagsüber an Wochentagen aktuell ca. 200 Pkw am Osthafen (teils auf dem geplanten Baugelände) parken.

Klimagutachten bestätige Verträglichkeit des Projekts

Wichtig war dem Stadtplanungsamt vor allem die Feststellung, dass die Planungen zum Osthafen „klimaverträglich“ seien. Die Aussage im Gutachten zur Klimafolgenbetrachtung, dass das klimaökologische Leitziel nicht erreicht werde, beruhe auf einer „Wunschvorstellung“ des Umweltamtes, die bei bebauten Flächen nie erreicht werde. Die im Gutachten dargestellten Wärmezunahmen seien außerdem „Worst-Case“-Szenarien, die in dieser Form vielleicht an 0,5 Tagen im Jahr eintreten würden. In Sachen Umwelt spreche nichts gegen den Bebauungsplan. Nur eine Vereinbarung zum Artenschutz stehe noch aus.

Initiative fordert Betrachtung der Osthafen-Pläne im Licht der Klimprax-Studie

Vertreter von “Zukunft Schierstein” äußerten Zweifel daran, dass die massive Bebauung gerade in heißen Sommermonaten keine entsprechend wahrnehmbare Auswirkung auf das Klima in Schierstein haben werde. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass auch die Klimprax-Studie, die für Wiesbaden in den nächsten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme von Tropennächten berechnet, mit in die Bewertung des Bebauungsplans einfließt.  

Darstellung der Frontansicht der geplanten Bürobebauung „ist stimmig“

Um den Schiersteiner Bürgerinnen und Bürgern einen Eindruck von den Bauhöhen und -breiten der nach den Plänen des Stadtplanungsamts möglichen Bürobebauung am Osthafen zu vermitteln, hatte die Initiative „Zukunft Schierstein“ auf Flyern und im Internet eine Ansicht mit schematisch dargestellten Baukörpern veröffentlicht. Offizielle „Frontansichten“ gebe es nicht, hieß es von Seiten der SEG und des Stadtplanungsamtes, die Darstellung von „Zukunft Schierstein“ sei aber „stimmig“ und geeignet sich von dieser Perspektive ein Bild zu verschaffen. 

Geplanter öffentlicher Durchgang vom Kormoranweg zum Hafen bereits mit Tiefgaragenabfahrten bebaut

Kann hier ein öffentlicher barrierefreier Durchgang zum Hafen entstehen?

Das Stadtplanungsamt bestätigte die Beobachtung von „Zukunft Schierstein“, dass die in der Plandarstellung zum Bebauungsplan für den Osthafen vorgesehene Durchwegung vom Kormoranweg/Storchenallee zum Hafen voraussichtlich nicht realisierbar sei. Der Grund ist, dass hier zwei Tiefgaragenabfahrten existieren. Man überlege nun, einen Weg weiter westlich zwischen dem letzten zur Storchenallee gehörenden Gebäude und dem ersten Gebäude der Schufa zu schaffen. Dies ist allerdings genau der eingezeichnete Weg, der eben nicht realisierbar ist. Auch noch weiter westlich – zwischen den letzten Wohngebäuden und dem ersten Bürogebäude, das noch zur Storchenallee gehört – ist ohne komplette Umgestaltung des mit Treppe, Geländer und Tor versehenen Geländes über einer Tiefgarage, kein barrierefreier Durchgang machbar. Trotzdem sieht das Stadtplanungsamt Möglichkeiten an dieser Stelle einen barrierefreien öffentlichen Durchgang zum Hafen einzurichten.

Wohnbebauung auf dem ehemaligen Gelände der Knochenmühle ausgeschlossen

Rechts im Bild das ehemalige Gelände der Knochenmühle neben der Schiersteiner Brücke.
Quelle: https://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/planen/staedtebauliche-projekte/rahmenplanungen/schiersteiner-hafen.php

Laut der 2006 für den Osthafen beschlossenen Rahmenplanung ist auch eine Bebauung des Geländes der ehemaligen Knochenmühle vorgesehen. Allerdings ist das Gelände nicht im Eigentum der Stadt und es gebe auch keine Bereitschaft des Eigentümers, das Grundstück an die Stadt zu verkaufen. Wohnbebauung sei hier auf jeden Fall aus Lärmschutzgründen nicht möglich, auch dann nicht, wenn westlich der Schiersteiner Brücke eine Lärmschutzwand gebaut würde. 

Fragen zu etwaigen vertraglichen oder finanziellen Zwängen für die Bebauung des Osthafens bleiben offen

Im Ortsbeirat wurde das Wasser- und Schifffahrtsamt als Auslöser für die jetzigen Bebauungspläne genannt.

Zur Ausgangsfrage der Initiative “Zukunft Schierstein”, warum am Osthafen eine dichte Bebauung mit mehreren – teils acht Stockwerken hohen – Bürogebäuden entstehen muss, gab es keine neuen Erkenntnisse. Im Ortsbeirat war diese Frage bereits Mitte 2019 wie folgt beantwortet worden: Das Wasser- und Schifffahrtsamt sollte vor etwa zwei Jahrzehnten am Osthafen neu gebaut werden. Um das zu verhindern habe die SEG dem Bund das Grundstück am Osthafen für „viel Geld“ abgekauft und den Bau des Amtes auf der Bismarksaue realisiert. Als finanziellen Ausgleich dafür soll die SEG das Grundstück am Osthafen nun als Büro- und Gewerbestandort vermarkten können. Ein Vertrag dazu liege der SEG vor – heißt es auch in einem Merkurist-Artikel vom 28. September 2019.

Die Frage, wie hoch der finanzielle Einsatz der SEG war und welche vertraglichen Vereinbarungen dazu bestehen, konnte der Ortsbeirat nicht beantworten. Von Seiten des Stadtplanungsamtes hieß es hierzu, mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt sei ein „Deal“ getroffen worden, der an mehrere Bedingungen geknüpft war. 

Für Bundesbehörden sollen Bebauungspläne nicht gelten

Vertreter der Initiative “Zukunft Schierstein” fragten nach, wie das Wasser- und Schifffahrtsamt überhaupt einen Anspruch darauf hätte haben können, ein Gebäude und ein Betriebsgelände zu errichten auf einem Gelände, das im damals und heute noch gültigen Bebauungsplan als Grünfläche ausgewiesen ist. Für Bundesbehörden würden Bebauungspläne nicht gelten, lautete die Antwort.