Wohnraumbedarfsprognose: Oberbürgermeister gibt keine neue Studie für Wiesbaden in Auftrag

Mit einem gesteigerten Wohnraumbedarf begründet die Stadt Wiesbaden unter anderem die geplante Bebauung des Westfelds zwischen Schierstein und Dotzheim. Doch werden in Wiesbaden tatsächlich mittelfristig neue Wohngebäude auf der jetzt noch grünen Wiese benötigt? Zweifel daran haben nicht zuletzt die sinkenden Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes (HSL) gesät.

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende will trotzdem keine Wohnraumbedarfsprognose für Wiesbaden in Auftrag geben. Dabei hatte er genau das noch Anfang 2023 als Reaktion auf die Vorausberechnungen des HSL zum Bevölkerungsrückgang in der Landeshauptstadt Wiesbaden versprochen.

In einem Antwortschreiben an den Ortsbeirat Schierstein führt er aus, die Stadt Wiesbaden orientiere sich an dem „Rahmen, den die Regionalplanung vorgibt“. Dazu gehöre die vorliegende Wohnraumbedarfsprognose des Institut Wohnen und Umwelt (IWU). Aus Sicht der Verwaltung der Stadt Wiesbaden bestehe „keine Veranlassung, an der Belastbarkeit der IWU-Studie von 2020 als Arbeitsgrundlage“ für den neuen Wiesbadener Flächennutzungsplan „zu zweifeln“.

Im Frühjahr 2023 hatte der Oberbürgermeister sich hierzu noch ganz anders geäußert. Damals hatte er als Reaktion auf die Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes (HSL) zum Bevölkerungsrückgang in der Landeshauptstadt Wiesbaden mehrere Untersuchungen angekündigt – unter anderem auch eine Aktualisierung der Wohnraumbedarfsprognose. Im Wiesbadener Kurier wurde er hierzu mit den Worten zitiert, dass er das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt beauftragen werde, „die Wohnraumbedarfsprognose zu aktualisieren und dabei die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamts zu berücksichtigen”. Anlässlich einer „VorOrt auf Tour”-Veranstaltung des Wiesbadener Kuriers am 26. April 2023 in Dotzheim wiederholte Oberbürgermeister Mende die Ankündigung, eine neue Wohnraumbedarfsprognose für Wiesbaden zu beauftragen.

Inzwischen lehnt der Oberbürgermeister aber ab, dass die Stadt Wiesbaden sich diese neue Datengrundlage aus eigenem Antrieb beschafft. Auch auf die bereits seit Jahren bestehende Kritik aus der eigenen Verwaltung an der Verwertbarkeit der IWU-Studie geht Mende in seinem Antwortschreiben nicht ein. Dies obwohl der Ortsbeirat Schierstein ihn hierauf in seiner Anfrage ausdrücklich hingewiesen hat: Das Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (heute: Amt für Statistik und Stadtforschung) der Landeshauptstadt Wiesbaden hatte die „Aussagekraft der Expertise der IWU“ in einer Stellungnahme als beeinträchtigt und „die Ergebnisse als stark verzerrt“ bezeichnet (Seite 1 der Stellungnahme). Der Ortsbeirat Schierstein hatte darum in seinem Antrag klargestellt: „Die Verlässlichkeit der IWU-Prognose 2020 als Datengrundlage für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans für ganz Wiesbaden – und damit auch für die Perspektivfläche West (Westfeld) – wirft also viele Fragen auf, die unbedingt vor allen weiteren Entscheidungen im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans geklärt werden müssen.“

Eine Klärung dieser Fragen scheitert indes an der Haltung des Oberbürgermeisters.

 


Westfeld: Ortsbeirat fordert neue Wohnraumbedarfsprognose

Mit einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen fordert der Schiersteiner Ortsbeirat eine neue Wohnraumbedarfsprognose für Wiesbaden. Der Ortsbeirat sieht die Notwendigkeit, einen belastbaren Nachweis dafür zu erbringen, ob die von der Stadt Wiesbaden geplante Bebauung des Westfelds (Perspektivfläche West) überhaupt notwendig ist. Denn hieran bestehen gleich aus mehreren Gründen starke Zweifel.

Anlass für den Antrag im Schiersteiner Ortsbeirat ist ein Schreiben von Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende, nach dem es – trotz anderslautender vorheriger Zusagen des Oberbürgermeisters – keine neue Wohnraumbedarfsprognose für Wiesbaden geben soll.

Im April 2023 hatte der Oberbürgermeister noch mehrere neue Untersuchungen angekündigt, nachdem die aktuellen Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes (HSL) zum massiven Bevölkerungsrückgang in der Landeshauptstadt Wiesbaden veröffentlicht worden waren. Im Wiesbadener Kurier wurde Oberbürgermeister Mende hierzu wie folgt zitiert:

„Zum einen wird das Amt für Statistik und Stadtforschungvoraussichtlich bis zur Sommerpause eine eigene Prognose auf Basis der vorliegenden Planungen vorlegen, zum anderen werden wir das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt beauftragen, die Wohnraumbedarfsprognose zu aktualisieren und dabei die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamts zu berücksichtigen.”

Die angekündigte Prognose des städtischen Amtes für Statistik und Stadtforschung zur Bevölkerungsentwicklung liegt seit Ende September 2023 vor.

Eine neue Studie zum Wohnraumbedarf gibt es aber nicht – und die soll es laut einem Antwortschreiben an Schierstein und Dotzheim auf Anträge des Schiersteiner und des Dotzheimer Ortsbeirats vom Juni 2023 auch nicht geben. Als Grund wird angeführt, dass sich die bisherige Prognose des IWU auf die Bevölkerungsvorausberechnung der Hessen Agentur (HA) aus dem Jahr 2019 stütze und die sei „nach Auffassung der Verwaltung besser geeignet als die Bevölkerungsvorausberechnung des Hessischen Statistischen Landesamtes (HSL) vom März 2023“.

Aus Sicht des Schiersteiner Ortsbeirats ist es ein Fehler, den Wohnraumbedarf nicht anhand der aktuellen, stark voneinander abweichenden Bevölkerungsvorausberechnungen erneut zu erheben. Hinzu kommt, dass bereits vor der Veröffentlichung der rückläufigen Bevölkerungszahlen durch das HSL Zweifel an der Wohnraumbedarfsprognose des IWU bestanden: Das Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (heute: Amt für Statistik und Stadtforschung) der Landeshauptstadt Wiesbaden hatte bereits im Dezember 2018 die „Aussagekraft der Expertise der IWU“ in einer Stellungnahme als beeinträchtigt und „die Ergebnisse als stark verzerrt“ bezeichnet (Seite 1 der Stellungnahme). Die Prognose des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU) von 2020, wurde mit demselben Ergebnis schon 2017 vorgelegt. Das Statistikamt empfahl so auch bereits 2018, die Prognose eines anderen Instituts, der empirica AG, zu verwenden. Die empirica AG ging damals schon von einem deutlich geringeren Wohnraumbedarf als IWU aus. In seiner Stellungnahme zu den Wohnbedarfsschätzungen im Dezember 2018 zieht das Amt folgenden Schluss:

„Als belastbare Planungsgrundlage für Politik und Verwaltung ist im Ergebnis lediglich die Ausarbeitung der empirica AG zu betrachten.“ (Seite 1 der Stellungnahme).

Die Verlässlichkeit der IWU-Prognose 2020 als Datengrundlage für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans für ganz Wiesbaden (und damit auch für die Bebauung des Westfelds) wirft also viele Fragen auf. Diese könnten geklärt werden, wenn Oberbürgermeister Mende seine Zusage einhielte und eine neue Studie beauftragen würde. Angesichts eines höchst umstrittenen Bebauungsprojekts wie dem Westfeld und der aktuellen Neuaufstellung des Flächennutzungsplans ist eine Klärung hier unabdingbar.

07-2023, Gemeinsamer Antrag FNP_IWU-Studie


Westfeld: Baugebiet zwischen Schierstein und Dotzheim?

Die Planungen zur Bebauung des 125 ha großen Areals zwischen Schierstein und Dotzheim nehmen Fahrt auf. Auf der Homepage von Zukunft Schierstein haben wir darum eine neue Themenseite „Westfeld“ eingerichtet, über die wir ständig aktualisierte Informationen bereitstellen:
https://zukunft-schierstein.de/westfeld/

Auf dieser Seite informieren wir Sie zum Westfeld über:


80 Wohnungen zwischen Bahnübergang und Kreisel zur Stielstraße

Bis zu 80 Wohnungen sollen auf dem ehemaligen Gelände der Firma Luh in der Freudenbergstraße direkt zwischen Bahnübergang und Kreisel zur Stielstraße entstehen. Die Vorplanungen zu diesem Projekt laufen bereits seit fast drei Jahren:
Eine Bauvoranfrage wurde im Februar 2019 gestellt. Genehmigt wurde das Projekt dann im Oktober 2020, wie Jan Spork vom Architekturbüro Grabowski + Spork in der Sitzung des Schiersteiner Ortsbeirats am 3. November 2021 erläuterte.

Fotomontage aus Plandarstellung des Wohnprojekts (einsehbar unter: https://www.gs-architektur.de/projekte/wohnen/freudenbergstrasse24) und Kartenausschnitt google maps.

In Schierstein schwelten aber schon länger Gerüchte um das Grundstück. Bereits in der Ortsbeiratssitzung am 23. Oktober 2019 hatten Anwohner*innen berichtet, dass ein Verkauf des Grundstücks der Firma Georg Luh am Bahnübergang in der Freudenbergstraße im Gespräch sei. Sie hatten gegenüber dem Ortsbeirat Befürchtungen über die neue Nutzung geäußert. Die Ortsbeiratsmitglieder signalisierten damals, ihnen sei davon nichts bekannt, aber im Rahmen der baurechtlichen Vorgaben, die im dortigen Mischgebiet bestehen, sei Bebauung möglich.

Inzwischen befindet sich das Architekturbüro im konkreten Planungsprozess – Grundrisse und die Architektur dazu werden aktuell entwickelt. Die Fertigstellung der neuen Gebäude ist für 2023 vorgesehen.

Vier „Stadtvillen“ sollen an der Seite zur Freudenbergstraße entstehen. Fünf weitere in der Reihe dahinter. In der Mitte ist – statt Privatgärten – eine Freifläche zur gemeinsamen Nutzung geplant.

Bildquelle: https://www.gs-architektur.de/projekte/wohnen/freudenbergstrasse24 – Ansicht des Wohnkomplexes von der Freudenbergstraße aus.

Im südlichen Teil des Geländes zur Bahnlinie hin wird ein weiterer Gebäuderiegel mit einem größeren und einem kleineren Haus entstehen. Die Gebäude sollen mit einer Lärmschutzwand verbunden werden und so den Bahnlärm von den dahinter liegenden „Stadtvillen“ abhalten.

Lärm war eins der größten Probleme, das in der Planung gelöst werden musste. Kritisch sei nicht nur der Lärm von der Bahnlinie sondern auch der von der vielbefahrenen Freudenbergstraße selbst, räumte Spork ein.

Probleme bereitete den Planern auch ein alter Abwassersammler auf dem Grundstück, der entlang der Freudenbergstraße in etwa fünf Metern Tiefe liege. Eine Verlegung sei nicht möglich gewesen, darum musste um dieses Hinderns „herumgeplant“ werden.

Das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass eine Zufahrt zur geplanten Tiefgarage unter dem Grundstück nicht von der Freudenbergstraße aus erfolgen wird. Die Zufahrt wird ganz im südlichen Teil des Grundstücks über den Wirtschaftsweg erfolgen, der entlang der Bahnlinie liegt (siehe roter Pfeil im Bild oben). Dies sei auch von der Topographie des Grundstücks her die beste Lösung, erklärte Spork. Denn hier liegt der niedrigste Punkt des Areals. Für die Einfahrt in die Tiefgarage wird darum keine längere Rampe notwendig, mit der ein Höhenunterschied überwunden werden müsste. Ganz anders wäre dies, wenn die Tiefgarage aus dem Kreisel heraus auf Höhe der Vogesenstraße befahren werden müsste. Dann hätte eine Rampe eingeplant werden müssen, durch die die Realisierung des begrünten Innenhofs der Anlage stark eingeschränkt gewesen wäre.

Die Ortsbeiratsmitglieder gaben zu bedenken, dass die Planung der Einfahrt über den Wirtschaftsweg bedeute, dass sich die Zufahrt zur Tiefgarage immer im Rückstau vor der Bahnschranke abspiele. Spork widersprach dem nicht. Das sei nicht anders zu lösen. Die Befürchtung, dass es durch die zusätzlichen PKW der Anwohner zu noch mehr Verkehr in der Freudenbergstraße kommen könnte, teilte er aber nicht: „Wenn im Berufsverkehr zwischen sieben und neun Uhr morgens die Hälfte der PKW die Tiefgarage verlassen, um zur Arbeit zu fahren, dann ist das in dieser Zeit alle drei Minuten ein zusätzliches Auto. Das merken Sie gar nicht.“

Das Architekturbüro plant je Wohnung einen Tiefgaragenplatz ein. Oberirdisch sollen so gut wie keine Stellplätze entstehen.

Von einem „Wohnmix“ mit senioren- und familiengerechten Wohnungen sprach Spork. Vereinzelt sollten auch Einzimmerwohnungen gebaut werden – das sei aber untergeordnet.

Die Stadthäuser sind dreigeschossig plus Staffelgeschoss angelegt – also mit vier Etagen, wenn man von der Freudenbergstraße auf den Wohnkomplex sieht.

Bildquelle: https://www.gs-architektur.de/projekte/wohnen/freudenbergstrasse24 – Ansicht des Wohnkomplexes von der Freudenbergstraße aus.

Wahrscheinlich werde es einen Mix aus Miete und Eigentum geben. Zum „Pricing“ könne er noch nichts sagen, so Spork. Das hänge auch stark von den Baukosten ab. Geförderter Wohnraum sei allerdings nicht geplant.

Auf seiner Homepage beschreibt das Architekturbüro das Projekt wie folgt:

„Unter dem „Freude 24 – Gemeinsam wohnen am Anger“  Motto planen wir in Wiesbaden-Schierstein einen neuen Siedlungsbaustein in direkter Nähe zu den Weinbergen und zum Schiersteiner Ortszentrum. Zehn kompakte Baukörper mit insgesamt rund 80 Wohneinheiten stehen auf einer gemeinsamen Tiefgarage und umschließen einen grünen Anger als neue Mitte des Quartiers. Durch die Kleinteiligkeit der Bebauung fügt sich die Anlage geschickt in das heterogene Umfeld ein.

Drei unterschiedliche Haustypen bieten Wohnungen mit 1 - 4 Zimmern und individuellen Außenräumen (Balkone, Loggien, Terrassen). Ein klares, durchgängiges Gestaltungs- und Materialkonzept und der Anger im Zentrum stärken das Quartier und halten es zusammen. Der neue Siedlungsbaustein wirkt nicht nur identitätsstiftend für die neuen Bewohner, er wird seine ordnende Wirkung auch auf das heterogene Umfeld ausstrahlen.“

 


Wieviel Wohnungsbau geht auf dem "Glyco-Gelände"?

In der vergangenen Sitzung des Schiersteiner Ortsbeirats standen zwei Neubau-Projekte auf der Tagesordnung. Eines davon betrifft das sogenannte "Glyco-Gelände", das Federal Mogul an den Investor Manfred Heinsch verkauft hat. Vor allem der Besuch von Alt-Oberbürgermeister Achim Exner zusammen mit dem Investor des Grundstücks sorgte zu diesem Tagesordnungspunkt für einige Überraschung in der Ortsbeiratssitzung am 3. November 2021.

Diesen Plan zeigte Investor Heinsch in der Sitzung und überließ ihn anschließend dem Ortsbeirat.

Die Gerüchte um das Firmengelände von Federal-Mogul auf der nördlichen Seite an der Stielstraße/Ecke Schönaustraße haben viele Menschen in Schierstein und sicherlich besonders die Belegschaft des Unternehmens in den vergangenen Wochen bewegt. Allein schon darum war es gut, dass der Investor sich bereit erklärt hatte, am vergangenen Mittwoch, 3. November 2021, in der Sitzung des Schiersteiner Ortsbeirats seine Ideen für das Areal vorzustellen und den Bürger*innen Rede und Antwort zu stehen.

Der größte Überraschungseffekt war für viele der Anwesenden aber weniger, was nun eigentlich geplant ist, sondern dass Alt-Oberbürgermeister Achim Exner den Investor Manfred Heinsch in die Ortsbeiratssitzung begleitete.

Die Vorstellung der neuen Pläne zum Gelände übernahm Heinsch zunächst alleine: Die Pläne seien noch nicht weit gediehen, stellte er klar, denn aktuell sei erst einmal eine Bauvoranfrage bei der Stadt gestellt worden.

Federal-Mogul-Mitarbeitende klagen über Parkplatznot

Auf Nachfrage von Mitarbeitenden von Federal Mogul, die auf die angespannte Parkplatzsituation an der Stielstraße hinwiesen, versicherte Heinsch, dass inzwischen vertraglich im Detail mit Feredal Mogul vereinbart sei, wieviele Parkplätze bis wann weiter für das Unternehmen auf dem Gelände vorgehalten werden. Heinsch bot auch an, die entsprechenden Vereinbarungen zur Verfügung zu stellen.

Bezüglich der möglichen Bebauung präsentierte der Investor einen Plan, der vier Punkthäuser mit jeweils bis zu sechs Wohnungen an der Seite zur Schönaustraße vorsieht. Im Gebäude an der Ecke Schönaustraße/Stielstraße könne er sich auch die Einrichtung eines Ladenlokals für ein Café oder eine andere Gastronomie vorstellen. Jede Wohnung solle einen Parkplatz erhalten.

Hinter der Reihe mit den vier Wohngebäuden sei aktuell die Errichtung eines zusätzlichen Gewerberiegels eingeplant, weiter nord-östlich ein Parkdeck. Das bestehende Verwaltungsgebäude solle erhalten bleiben und gewerblichen Mietern zur Verfügung stehen. Federal Mogul wolle einen Teil der Bürofläche zurückmieten. Darüber hinaus interessiere sich ein Planungsbüro für Elektrotechnik für eine komplette Etage, der Malteser Hilfsdienst wolle eine halbe Etage beziehen.

Zusätzliches Gewerbegebäude oder doppelt so viele Wohnhäuser?

Die Ortsbeiratsmitglieder wollten unter anderem wissen, ob auch sozialer Wohnungsbau geplant sei und Bedarf an dem zusätzlichen Verwaltungsgebäude bestehe. Achim Exner nahm diese Fragen zum Anlass, neben den Investor zu treten und sich als dessen Berater vorzustellen. Er sei der Ansicht, dass statt des neuen Verwaltungsgebäudes eine weitere Reihe Wohnhäuser auf dem Gelände gebaut werden solle – und das natürlich unter Berücksichtigung von Sozialwohnungen. Der Investor selbst machte den Eindruck, als sei das für ihn eher eine neue Überlegung.

Vor allem Marcus Vaupel vom Wiesbadener Stadtplanungsamt zeigte sich sichtlich irritiert. Offensichtlich war ihm dieser Plan von der Wohnbebauung in "zweiter Reihe", den Exner postulierte, so noch nicht bekannt. Er sei Berater des Ortsbeirats und in dieser Funktion müsse er darauf hinweisen, dass eine zweite Reihe an Wohngebäuden planungsrechtlich nicht ohne weiteres möglich sei. Das Gelände sei schließlich im Flächennutzungsplan der Stadt Wiesbaden als reine Gewerbefläche vorgesehen und das Heranrücken von Wohnbebauung könne für die ansässigen Unternehmen (in diesem Fall für Federal Mogul) zum Problem werden.

Planungsrechtliche Voraussetzungen noch unklar

Denn dort, wo Wohnbebauung an produzierendes Gewerbe heranrücke, kämen meist früher oder später Klagen der neuen Anwohner*innen über Beeinträchtigungen durch den Gewerbebetrieb auf. Man müsse sich darum sehr genau überlegen, ob man das wolle. Und auch wenn Wiesbaden aktuell keinen „Run“ auf Gewerbeflächen erlebe, so müssten diese doch in ausreichendem Maße vorgehalten werden. „Nicht jeder arbeitet in einem Büro in der Stadt.“

Sehr wahrscheinlich seien die vier Punkthäuser an der Seite zur Schönaustraße im Rahmen der umgebenden Bebauung zwar machbar und könnten genehmigt werden, aber für weiteren Wohnungsbau auf diesem Gelände reiche die geltende Rechtslage an dieser Stelle vermutlich nicht. Vaupel sprach von planungsrechtlichen Veränderungen, die dafür vorgenommen werden müssten – sprich ein Bebauungsplan müsste erstellt werden. Das könne dauern.

Günstiger Wohnungsbau auf Gewerbegelände

Für den Investor kann es sich grundsätzlich finanziell lohnen, Wohnungsbau auf einem Gewerbegelände zu platzieren. Denn für gewöhnlich sind Gewerbegrundstücke deutlich preisgünstiger als Grundstücke in Wohngebieten. Auch wenn der Bodenrichtwert noch nichts über den Marktwert eines Grundstücks aussagt, so kann er doch zur Einordnung dienen: Laut Bodenrichtwertkarte könnte daher das "Glyko-Grundstück" an der Stielstraße/Schönaustraße im Verhältnis nur halb so teuer gewesen sein wie das ehemalige "Luh-Grundstück" an der Freudenbergstraße, das nun ebenfalls bebaut wird, aber im Mischgebiet liegt.

Quelle: Ausschnitt aus der Bodenrichtwertkarte der Stadt Wiesbaden - https://geoportal.wiesbaden.de/kartenwerk/application/bodenrichtwerte

Kein Platz für Tiere

Kein Platz für Tiere – wie Schierstein die Chance auf einen Kinderbauernhof verpasste

Die Suche nach einer anderen Wiese für die Ponys begann vor zwei Jahren. Damals wurde bekannt, dass die Wallufer Firma Luh ihr Grundstück in der Freudenbergstraße, auf dem sich eine Lagerhalle und die Ponywiese befinden, verkaufen würde. Als den Zuschlag eine Immobiliengesellschaft erhielt, stand außer Frage, dass hier in Zukunft mit keinem Ponyhof, sondern mit Investitionen anderer Größenordnung zu rechnen wäre.

Wo nun aber die liebenswerten Vierbeiner in Zukunft grasen und von ihren kleinen und größeren Fans besucht werden könnten, blieb lange ungewiss, denn in der ganzen Gemarkung und im weiteren Umkreis fand sich nicht ein freies Grundstück von ausreichender Größe und mit der Möglichkeit zur Pferdehaltung. Notfalls sollten die Ponys sogar auf der anderen Rheinseite im benachbarten Rheinland-Pfalz untergebracht werden.

Das Ponyreit-Angebot nutzen derzeit 45 Kinder mit großer Begeisterung – die Nachfrage ist aber weit größer und eine Warteliste entsprechend lang. Umso mehr war es eine große Erleichterung, als doch noch ein etwas abgelegenes Gelände am Ort gefunden schien, nämlich zwischen Tüv und A66 gelegen, welches ungenutzt, d.h. brachliegend, und im Besitz der Stadt ist. In mehreren Verhandlungen konnte schließlich eine Einigung über den Pachtpreis erzielt werden und Familie Litzius, die die Arbeit mit Pferden seit vielen Jahren erfolgreich betreibt, begann Pläne zu entwickeln.

Große Pläne, mit Pferden und weiteren anderen Tieren „zum Anfassen“ für Kinder, wie etwa zahmen Hühnern und Schafen. Die Planungen mussten immer wieder an die städtischen Vorgaben angepasst werden; so war es beispielsweise nicht gestattet, Teile des Geländes ausschließlich landwirtschaftlich zu nutzen, sondern mit Ausnahme eines privaten Teiles war vorgegeben, für das gesamte Gelände eine ausschließlich gewerbliche Nutzung nachzuweisen.

Trotz aller Auflagen entstand mit viel Idealismus und Enthusiasmus ein Konzept mit entsprechender Finanzierung – und es hätte eigentlich losgehen können mit der Gestaltung des Geländes, denn schließlich lief der Pachtvertrag auf dem Luh-Grundstück Ende Mai aus, wenn auch für den Umzug der Ponys noch ein paar Monate bis spätestens Oktober zugesichert waren. Aber die Stellungnahme der Ämter steht weiterhin aus und es wurde noch keine positive Bestätigung der Bauvoranfrage erteilt. Im Gegenteil – telefonisch wurde mitgeteilt, dass das Vorhaben keine positiven Aussichten habe. Unter diesen Umständen ist es der Familie Litzius nicht zu verdenken, dass sie eine anderweitig sich bietende Möglichkeit angenommen hat, nämlich ihre Ponys nach Biebrich in den Grundweg umzusiedeln und dann dort das Ponyreiten anzubieten.

Wenn auch alle Familien, wie zu hören ist, den Hippolini Unterricht dort weiterhin nutzen wollen, so ist es doch sehr schade, dass den Kindern in Schierstein dieses Angebot im Ort nicht mehr zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist es äußerst bedauerlich, dass die schon weit gediehenen Pläne für eine Art kleinen Kinderbauernhof, die kurz vor ihrer Umsetzung standen, nun nicht mehr in Schierstein realisiert werden. Und ganz allgemein kann es schon nachdenklich stimmen, wenn auf einem der letzten für Tierhaltung zugelassenen Grundstücke künftig keine Pferde mehr, auch nicht ganz kleine, untergebracht werden – sondern stattdessen eine hochverdichtete urbane Bebauung mit reichlich „Pferdestärken“ anderer Art.

Simone Grün


Perspektivfläche West: Bürgerinitiativen zum "Freudenberger Hang" zwischen Dotzheim und Schierstein

 

Das Ostfeld ist in aller Munde, doch was ist eigentlich mit dem Westfeld – oder genauer – der Perspektivfläche West/Freudenberger Hang zwischen Dotzheim und Schierstein?
Auch hier sind ca. 3.000 Wohneinheiten zuzüglich Gewerbe geplant und das inmitten einer Fläche mit "erheblicher Bedeutung für die Belüftung Wiesbadens". Für die Bürgerinitiativen Zukunft Schierstein und Grüne Zukunft Freudenberg Grund genug, genauer hinzusehen:

Gemeinsame Presseerklärung Grüne Zukunft Freudenberg und Zukunft Schierstein

Erhalt des Freudenberger Hangs als Grünverbindung und Kalt- sowie Frischluftentstehungsgebiet zwischen Dotzheim und Schierstein  

Die Bürgerinitiativen Grüne Zukunft Freudenberg und Zukunft Schierstein setzen sich gemeinsam für den Erhalt wichtiger Flächen mit erheblicher Bedeutung für die Belüftung des Wiesbadener Westens ein. „Kaltluftströme machen nicht an Ortsgrenzen halt, Dotzheim und Schierstein sitzen in einem Boot“, sind sich die Initiativen einig.

Das gilt besonders in Bezug auf die Perspektivfläche West, ein ca. 125 ha großes Gebiet zwischen Dotzheim und Schierstein („Freudenberger Hang“), das aktuell aus landwirtschaftlich genutzten Flächen und städtischen Grünflächen besteht. Die Stadt Wiesbaden sieht für dieses Gebiet laut ihrem „Integrierten Stadtentwicklungskonzept Wiesbaden 2030+“ Potenzial für 3.000 neue Wohneinheiten zuzüglich Gewerbe. Und dies obwohl das Gebiet laut Klimafunktionskarte der Stadt Wiesbaden ganz überwiegend ein Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet ist.

Quelle: Klimabewertungskarte der Stadt Wiesbaden

Das Konzept der Stadt Wiesbaden deklariert den Freudenberger Hang dementsprechend als „sensible Freifläche“, als Fläche mit erheblicher Bedeutung für die Belüftung Wiesbadens und als „freizuhaltende Grünverbindung (insbesondere aufgrund klimatischer Bedingungen)“:

Bislang wurden die Pläne für den „Freudenberger Hang“ als „Zukunftsmusik“ abgetan, doch aktuell häufen sich Hinweise, dass die Vorbereitungen für die Entwicklung der „Perspektivfläche West“ bald an Fahrt aufnehmen könnten. Unter anderem deuten darauf auch die sehr umfangreichen Planungen zur Entwicklung des Schiersteiner Bahnhofsumfelds hin und die Berichterstattung zum Ausbau des Wiesbadener Stromnetzes, wonach zusätzliche Einspeisungspunkte auch „ganz im Westen auf einer schon bestehenden Trasse zwischen Eltville und Schierstein“ geplant sind. Zudem gibt es Hinweise auf Grundstücksankäufe durch die Stadt Wiesbaden im Bereich der „Perspektivfläche West“.

Diese besonders in Zeiten des Klimanotstandes erkennbaren Tendenzen wollen die beiden Bürgerinitiativen aufmerksam beobachten, begleiten und wenn möglich Fehlentwicklungen verhindern.

Über die Bürgerinitiativen

BI Grüne Zukunft Freudenberg            
Die BI „Erhalt des Grüngebiets und Wäldchens an der Helios HSK“ ist jetzt BI Grüne Zukunft Freudenberg. Wir wollen uns für ein ökologisch sinnvolles Konzept des gesamten HSK-Gebietes einsetzen, ebenso wie für andere Klimatope und Biotope im Stadtteil Dotzheim-Freudenberg. Es gibt keinen sinnvollen ökologischen Masterplan für dieses Gebiet und das lässt Befürchtungen zu bezüglich der zukünftigen Entwicklung des Stadtteilklimas von Dotzheim.

https://grünezukunftfreudenberg.de

BI Zukunft Schierstein
Die Initiative Zukunft Schierstein ist erstmals 2021 als Wählergemeinschaft zur Kommunalwahl angetreten und als Fraktion mit dem stärksten Wahlergebnis im Ortsbeirat Schierstein vertreten. Wir drängen darauf, Großprojekte mit ihren Auswirkungen auf ganz Schierstein zu sehen und vor allem in ihren Wechselwirkungen mit den Themen Klima und Verkehrsbelastung zu beurteilen. Hierzu habe wir bereits 2018 (erfolgreich) eine Bürgerbeteiligung bei der Stadt Wiesbaden beantragt. Auf die Durchführung von Seiten der Stadt warten wir seit zwei Jahren.

https://zukunft-schierstein.de